- Ente
- Von blauen Enten predigen: Lügen, leeres Gerede verbreiten, besonders ironisch von der geistl. Predigt gebraucht, ist eine frühneuhochdeutsche Wendung, die in der Reformationszeit weit verbreitet war, bei Sebastian Brant, Thom. Murner oder bei Luther: »so kömpts doch endlich dahin, das an stat des evangelii und seiner auslegung wiederumb von blaw enten geprediget wird«. Mit dieser heute nicht mehr gebräuchlichen Wendung hat die ›Zeitungsente‹ (lügenhafte Nachricht) nichts zu tun. Sie tritt erst nach 1850 auf als Übersetzung von französisch ›canard‹ = Ente, auch Flugblatt, Schnurre und später Falschmeldung; im Französischen hat ›donner des canards‹ schon im frühen 18. Jahrhundert den Sinn von: einem etwas vorlügen (heute ungebräuchlich).›Canard‹ (Zeitungsente) geht zurück auf die im 16. und 17. Jahrhundert übliche sprichwörtliche Redensart ›vendre (oder: donner) un canard à (la) moitié‹: lügen, täuschen, jemandem etwas weismachen. Wer eine halbe Ente für eine ganze verkaufte, betrog, und wer eine Ente nur zur Hälfte verkaufte, verkaufte überhaupt nicht. Im Laufe des 17. Jahrhundert wurde dann der Zusatz ›à moitié‹ fortgelassen und die Bedeutung Lüge, Betrug, Täuschung auf das Wort ›canard‹ allein übertragen. In einem anderen Deutungsversuch wird der Begriff ›Ente‹ im Sinne von Lüge zurückgeführt auf den Vermerk n.t. (non testatum), mit dem Zeitungsredaktionen unverbürgte Meldungen zu versehen pflegten, d.h. aus dem Satz: ›das ist eine n.t.-Meldung‹ könnte durch Weglassen des Wortes Meldung durchaus die Kurzfassung ›Das ist eine n.t.‹ (sprich ›Ente‹) entstanden sein. Ferner ist bemerkenswert, daß in der Reformationszeit als polemische Verdrehung des Wortes Legende die Ausdrücke ›Lügende‹ und ›Lugente‹ vorkamen. Da alle Versionen als Erklärung für die Zeitungsente in Frage kommen können, liegt die Annahme nahe, daß der Ursprung durchaus bei der blauen Ente, Lügende oder Lugente zu suchen ist.Die aus dem Schwäbischen bezeugte Verwünschung daß ihn die Enten vertreten mögen tritt bereits bei Sebastian Franck auf: »Ich wolt ehe, daß mich ein Ent zertrette, das were doch ein schendlicher Tod«. Ebenfalls seit Sebastian Franck (›Lob der Torheit‹) bekannt ist die Redensart warten, bis einem die gebratenen Enten in das Maul fliegen, eine Anspielung auf die Erzählung vom Schlaraffenland (⇨ Taube); vgl. französisch ›attendre que des alouettes toute cuites vous tombent dans la bouche‹ (warten, bis einem gebratene Lerchen ins Maul fallen).Aus dem (Andersen-)Märchen bekannt ist die Wendung häßliches Entlein, die sich bis in die heutige Zeit erhalten hat als Attribut für ein von der Natur etwas stiefmütterlich behandeltes junges Mädchen. Der Enterich dagegen gilt als Symbol und wenig schmeichelhafte Bezeichnung für einen polygamen Mann. Aus dem Englischen stammt die Wendung lahme Ente (›lame duck‹), die in den Vereinigten Staaten häufig auch im Sinne von ›handlungsunfähig‹ für Politiker verwendet wird. Berühmt wurde dort auch die von Walt Disney geschaffene Figur des ›Donald Duck‹, die in ihrer Vielseitigkeit das gesamte Spektrum menschlicher Verhaltensweisen verkörpert, ⇨ schnattern.Schwimmen wie eine bleierne Ente: schlecht oder gar nicht schwimmen können. Die Redensart ist wohl darauf zurückzuführen, daß ›bleierne Ente‹ auch eine Bezeichnung für ein Schiff ist, das sich nur schleppend vorwärts bewegt.Die Ente erscheint oft in spöttischen Vergleichen. Eine erweiterte Berliner Redensart lautet: ›Wat heißt hier Ente? Dat is'n Klapperstorch, der sich de Beene abjeloofen hat‹.Aus neuerer Zeit stammt der Name ›Ente‹ für den Citroën 2 CV.• BLUMSTENGEL: ›Noch etwas von den blauen Enten‹, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 6 (1892), S. 719; »Proverbs on Ducks«, in: Notes & Queries, 7th, 1 (1886), S. 107-108, 257, 417; O. KELLER: Die antike Tierwelt 2 (Leipzig 1913), S. 228-234; K. KNORTZ: Die Vögel in Geschichte, Sage, Brauch und Literatur (München 1913), S. 50-67; »Crutches for lame ducks«, in: Notes & Queries, 12th, 7 (1920), S. 209, 254f.; A. TAYLOR: Artikel ›Ente‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens II, Spalte 849-851; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker IV (Bad Godesberg 1978), S. 1331-1348; M. GRÄTZ: Artikel ›Ente‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 1-6; E. und L. GATTIKER: Die Vögel im Volksglauben (Wiebaden 1989), S. 489-93.Enten (›Zeitungsenten‹). Karikatur, aus: ZEITmagazin, vom 2.III.1984.
Das Wörterbuch der Idiome. 2013.