geigen

geigen
Einem die Wahrheit (oder die Meinung) geigen: ihm derb die Meinung sagen, Ihm die Leviten lesen Leviten, eigentlich: zur Geige singen, wie es der Spielmann tat. Die Wendung ist schon mittelhochdeutsch belegt, frühmittelhochdeutsch oft in der Form des Sprichworts: ›Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man die Geige (den Fiedelbogen) an den Kopf‹ (Sebastian Franck, Sprichwort 1, 29a; Lehmann 872, Wahrheit 3), auch ›Dem schlägt man den Fiedelbogen aufs Maul‹. Obersächsisch ist die Redensart verkürzt zu ›jemandem geigen‹, ihn abkanzeln; schwäbisch findet man auch die Form ›einem die Leviten geigen‹.
   Du kannst mir was geigen: ›Du kannst mir gestohlen bleiben‹, das ist mir gleich.
   Macht sich ein Mensch lächerlich, so sagt man: Laß dich (dir) heimgeigen!, hergeleitet von dem Brauch, daß sich Begüterte von Gelage oder Tanz mit Musik heimgeleiten ließen.
   Ein paar andere imperativisch gebrauchte Redensarten sind als Drohungen leicht verständlich: Der soll mich nicht geigen lehren! und Ich werde ihm (!) geigen lehren! Auf dem Kiefer geigen: sich am Unglück anderer bereichern, ein Kriegsgewinnler sein.
   Es ist ihm nicht gegeigt worden: es ist ihm nicht an der Wiege gesungen worden, d.h., davon hat er als Kind nichts gehört, Wiege.
   Dir werd' ich 's geigen (auch die Meinung geigen) bedeutet eine Drohung: ich werde dir ungeschminkt die Wahrheit sagen. In dieser Redensart lebt noch die Vorstellung von der alten Wahrheitsgeige fort, von der schon früh gesagt wird: »Dieweil der alten Wahrheitsgeigen die Saiten sind gesprungen, muß sie schweigen«.
   Das unerfreuliche Hinundherstreichen wie bei einem schlechten Geigenspiel wird anderweitig als ›geigen‹ bezeichnet, wenn man etwa mit einem stumpfen oder schartigen Messer etwas abschneiden will und dabei auf der Wurst oder dem Brot hin und her fährt. Auch auf dem Fahrrad kann man in diesem Sinne ›geigen‹, wenn man nicht fest im Sattel sitzt.
   Sie läßt sich gern geigen: sie ist nicht wählerisch hinsichtlich ihrer Liebhaber.
• E. SEEMANN: Artikel ›Geige, geigen‹, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens III, Spalte 463-470.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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  • Geigen — ist der Ortsname von Geigen (Bad Füssing), Ortsteil der Gemeinde Bad Füssing, Landkreis Passau, Bayern Geigen (Hof), Ortsteil der kreisfreien Stadt Hof (Saale), Bayern Geigen (Willmering), Ortsteil der Gemeinde Willmering, Landkreis Cham, Bayern …   Deutsch Wikipedia

  • Geigen — Geigen, so v.w. Bogeninstrumente …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Geigen — Geigen, verb. reg. act. auf der Geige spielen, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart. Wer die Wahrheit geigt, dem schlägt man den Fiedelbogen um den Kopf, figürlich …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • geigen — geigen:1.〈mitderGeigemusizieren〉Geigespielen♦umg:fiedeln♦salopp:fitscheln·schrubben–2.esjmdm.g.,dieMeinung/wasg.:⇨zurechtweisen …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Geigen — 1. Geige den Leuten wie du willst, allen geigst du selten recht. – Simrock, 3182; für Waldeck: Curtze, 352, 468. Lat.: Ne Jupiter quidem omnibus. (Schonheim, N, 10.) 2. Geigen können wir, aber nicht fingern, sagte der Meister zu seinen Jüngern.… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • geigen — Geige spielen; Violine spielen; fiedeln * * * gei|gen 〈V. intr.; hat; Mus.〉 Geige spielen ● jmdm. die Meinung geigen 〈fig.; umg.〉 gründlich die M. sagen * * * gei|gen <sw. V.; hat (ugs.): a) Geige spielen …   Universal-Lexikon

  • geigen — gei·gen; geigte, hat gegeigt; [Vt/i] (etwas) geigen gespr; etwas auf der Geige spielen || ID es jemandem geigen gespr; jemanden lange und heftig schimpfen ≈ jemandem eine Standpauke halten …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • geigen — Geige: Die Herkunft des Namens des ursprünglich dreisaitigen Musikinstrumentes (mit Griffbrett) ist nicht sicher geklärt. Erst seit dem 12. Jh. tritt gīga vereinzelt in den Belegen auf. In mhd. Zeit breitet sich gīge im gesamten dt. Sprachgebiet… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Geigen-Feige — (Ficus lyrata) Systematik Rosiden Eurosiden I Ordnung …   Deutsch Wikipedia

  • geigen — geigenv 1.intr=schwatzen.DasGeigenspielistinvolkstümlicherAuffassungeinlangdauerndesMusizieren.VonhierwurdederBegriff»anhaltend«aufdasRedenübertragen.1910ff. 2.intr=ineinerSpirallinieabstürzen(aufFlugzeugebezogen).1920ff.… …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

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