Hans

Hans
als Kurzform von Johannes (Hannes) war früher, namentlich vom 14. bis zum 17. Jahrhundert, der verbreitetste aller deutschen Vornamen. so kommt es, daß Hans, ähnlich wie Peter, Matz (Matthias), Barthel (Bartholomäus), Grete, Liese in Ausdrücken wie ›Heulpeter‹, ›Hemdenmatz‹, ›Dreckbarthel‹, ›Faule Grete‹, ›Dumme Liese‹ u.a. als Gattungsname gebraucht wurde: ›Große Hansen‹ (= große Herren), ›Faselhans‹, ›Plapperhans‹; ›Gaffhans‹, ›Knapphans‹ (für einen Sparer) und ›Prahlhans‹. Da war (ist) Schmalhans Küchenmeister, Schmalhans; die Redensart ist schon seit dem 17. Jahrhundert bezeugt; bei Schupp heißt es: »Wo man Holz umb Weihnachten, Korn umb Pfingsten und Wein umb Bartholomäi kauft, da wird Schmalhans endlich Küchenmeister«. Nach der Schlacht von Breitenfeld wurde Tilly verspottet:
   Ein anders mal
   Bleib Hannes Schmal
   Und nit so gierig schaue;
   Denn wer zu voll
   Das Maul nimmt wol,
   Hat übel zu verdauen.
Gern verwendet Goethe solche Ausdrücke: »Du sprichst ja wie Hans Liederlich« (›Faust‹ I, V. 2, 628), ›Hans Ohnesorge‹ (›Erste Epistel‹), ›Hans Adam‹ (›West-östlicher Divan‹). ›Hans Urian‹ (oder Musche Urian) ist eine volkstümliche Bezeichnung des Teufels, ›Meister Hans‹ wird der Scharfrichter genannt, ›Hans im Glück‹ (nach Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 83) ist ein mit allem Zufriedener, ein Glückspilz. Daher auch die Redensart: ›Sich fühlen wie Hans im Glück‹. Den ›Blanken Hans‹ nennt man das Meer, vor allem die Nordsee. Wegen ihrer Unberechenbarkeit, z.B. bei Sturmflut, die allen Widerstand herausfordert, wird ihr ›Trutz blanker Hans‹ entgegengerufen.
   Hans wird auch zum Typus der Dummheit: ›Hans Dumm‹, ›Hansnarr‹, ›Hansaff(e)‹, ›Hans Affenschwanz‹ (älter: ›Affenzagel‹). Hans (Dampf): dieser Zusatz erst seit dem Anfang des 19. Jahrhundert) In allen Gassen führt Johannes Agricola 1529 an (Nr. 257): »Er ist Hans ynn allen Gassen, Ein Steyn, den man hyn vnd wider waltzet, bewechst selten, also lernet nichts redliches, er gebe sich denn auff eines allein, vnd lerne das wol, Denn der ynn allen gassen wonet, der wonet vbel«.
   ›Hans Dampf in allen Gassen‹ ist schließlich der Titel einer Erzählung von Heinrich Zschocke (1771-1848). In Gotha wird behauptet, ein Hans Dampf sei dort im 19. Jahrhundert eine leibhaftige, stadtbekannte Persönlichkeit gewesen, und man beruft sich dabei auf die 1846 anonym in Gotha erschienene Dichtung: ›Die Wirkung des Dampfes oder das Leben auf der Thüringer Eisenbahn ...‹, wo es in der 10. Strophe heißt:
   Nun kommt auch Hans George, genannt der Hans Dampf,
   Hat Abschied genommen, überstanden den Kampf,
   Er will gern mit fahren in die höllische Fremd',
   Mit seinen sieben Sachen, zwei Strümpf und ein Hemd;
   Das Entree bezahlet das Mütterchen fein,
   Und nun fährt der Schlingel über den Rhein.
   ›Hans Dampf‹ heißt noch heute eine bekannte Gaststätte in Gotha.
Ein Lied aus ›Des Knaben Wunderhorn‹ trägt den Titel ›Hans in allen Gassen‹; es stammt von einem Fliegenden Blatt von 1636.
   In Holstein nennt man einen, der alles aufschiebt, ›Hans Namiddag‹ und einen, der alles aufwühlt, ›Hans Röhrup‹. Hänschen im Keller wird im Scherz ein zu erwartendes Kind genannt (seit dem 18. Jahrhundert belegt); vor allem in dem Trinkspruch: ›Hänschen im Keller soll leben!‹ Ähnlich das englische ›Jack in the cellar‹.
   Am bekanntesten ist Hanswurst, zuerst 1519 belegt, eine niederdeutsche, danach obersächsische Schelte des unbeholfenen Dicken, dessen Gestalt einer Wurst gleicht. Der Name erinnert an den französischen ›Jean potage‹ (heute fast unbekannt), den ›Maccaroni‹ in Italien, den ›Jack Pudding‹ in England, den ›Pickelhering‹ in Holland. Deutlich sind diese Namen nach den Lieblingsgerichten der unteren Volksklassen der verschiedenen Völker gegeben worden. Der Name Hanswurst erscheint zuerst in der niederdeutschen Bearbeitung des ›Narrenschiffs‹ (Brant selbst hat dafür »Hans myst«). Dann findet sich der Name in einer gegen den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel gerichteten Schrift Luthers: ›Widder Hannsworst‹ (Wittenberg 1541); darin heißt es: »Wohl meinen etliche, ihr haltet meinen gnädigen Herrn darum für Hannsworst, daß er von Gottes Gnaden stark, fett und Völligs Leibes ist«. Bei Luther ist die Bedeutung also auf ›Tölpel‹ erweitert. Die heute übliche Form ›Hans Wurst‹ steht erst in Fischarts ›Gargantua‹ 1575 (Kapitel 8, Bl. K6b): »Trink allzeit for dem durst, so tringt dich kein durst Mein Hans Wurst«. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird der Hans Wurst zur Gestalt des Narren im Lustspiel, von da aus zur Bezeichnung jedes närrischen, albernen Menschen. Daher die Redensart Den Hanswurst (für jemanden) spielen (machen): sich zum Narren halten lassen; vgl. französisch ›faire le guignol‹, nur im Sinne von: sich absichtlich wie ein Hanswurst aufführen und die anderen dadurch zum Lachen bringen; Ich bin doch nicht dein Hanswurst: ich lasse mich von dir nicht zum Narren halten; vgl. auch Mit jemandem das Hänschen machen: ihn veralbern, als dumm behandeln. Ähnlich auch: ›Mit jemandem das Hansele machen‹. Hansele-Figuren als Narren und Spaßmacher spielen in der alemannischen Fasnet eine große Rolle.
   Im Elsaß ist der ›Hans im Schnokeloch‹ eine Art Symbolfigur geworden. Er steht für den ewig Unzufriedenen, dessen Lieblingsausdruck ›Hätt-ich‹ ( Hättich) ist und der doch nicht bekommt, was er will:
   Un was er hett, / das will er nit,
   und was er will, / das hett er nit.
Darüber hinaus begegnet er auch als Titel einer humoristischen Zeitschrift, hg. von Karl Bernhard (1860-62), sowie eines Gedichtes von Alph. Heitz. Eine andere, besonders bei Kindern beliebte Hansfigur ist der aus dem Struwwelpeter bekannte ›Hansguckindieluft‹, der Träumer, dessen Blick immer himmelwärts gerichtet ist und der daher fortwährend über Stock und Stein stolpert.
   Einen Hinweis auf die Allerweltsbedeutung. des Namens Hans gibt auch das Märchen ›Hänsel und Gretel‹ (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 15). haben, Schmalhans, Wurst.
• F.V. RADLER: Der wienerische Hanswurst (Wien 1894); F. HEYCK: Hanswurst (1928); W. MEYER: Werden und Wesen des Wiener Hanswurstes (Diss. Leipzig 1932); H. HOHENEMSER: Pulcinella, Harlekin, Hanswurst (Diss. München 1940); O. ROMMEL: Die Altwiener Volkskomödie (Wien 1952); A. BACH: Deutsche Namenkunde, 3 Bände (Heidelberg 1952-56), besonders Band 1: Die deutschen Personennamen; G. SCHIEDLAUSKY: ›Hansel im Keller‹, in: Der weiße Turm 10 (1967), S. 23-25; L. SCHMIDT: Hanswurst und verwandte Gestalten in der Volkskunst, in: Werke der alten Volkskunst (Rosenheim 1979), S. 43-48; W. MIEDER: ›Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr‹. Zur Überlieferung eines Luther-Sprichwortes, in: Sprachspiegel 39 (1983), S. 131-138; H.-J. UTHER: Artikel ›Hans im Glück‹, in: Enzyklopädie des Märchens VI, Spalte 487-494. R. BÖHM: Hänsel und Gretel. Eine Fallstudie (Bern – Frankfurt/M. – New York 1991).
Hans Dampf in allen Gassen. ›Rechts-Hans auf allen Gassen‹. Das Herkommen. Titelblatt einer Spottschrift 1720. Aus: Franz Heinemann: Der Richter und die Rechtspflege in der deutschen Vergangenheit (= Monographien zur deutschen Kulturgeschichte, IV. Bd.), S. 136, Abbildung 139.
Hanswurst. Hanswurst mit Wickelkindern. Satiri-
   scher Kupferstich auf das ›Glück‹ des Kinderreichtums, Ende 18. Jahrhundert (?), Historisches Museum Wien Aus: Helmut G. Asper: Hanswurst. Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert, Emsdetten 1980, Abbildung 195.
Hanswurst. Johannes Lind als Hanswurst. Unbez. Holzschnitt, 18. Jahrhundert, ÖNB. Theatersammlung Aus: Asper; Abbildung 84.
Hanswurst. Vera effigies rustici comici dich Hans Wurst, alias IND, 17. Jahrhundert (nach Holl: Deutsches Lustspiel).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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